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Artikel in der Bankinformation August 2004


Ressourcen schonen – Potenziale erschließen

Wie eine Mediation abläuft und was die Bank davon hat

 Jakob Harich                         

Zum Autor: Jakob Harich war lange Jahre in leitender Stellung im Kreditbereich, zuletzt bei der Volksbank Kirchheim-Nürtingen, tätig. Er hat mit der Mediation für Bankkunden umfangreiche praktische Erfahrungen gesammelt. Nun widmet er sich beruflich ganz dem Thema Mediation als selbständiger Rechtsanwalt und Mediator. Er ist zertifizierter Wirtschaftsmediator DGMW (Deutsche Gesellschaft für Mediation in der Wirtschaft)

E-Mail: jakob.harich@t-online.de

 

Mediation ist eine moderne und zukunftsorientierte Technik zur Lösung von Konflikten. Die Methode schont Ressourcen wie Zeit, Geld und Energie. Auch Kreditinstitute können in vielen Fällen direkt und indirekt profitieren, wenn diese Methode gezielt zum Einsatz kommt. Verbesserte Kundenbindung und Risikoreduzierung sind zentrale Motive, die das aktive Angebot der Mediation durch die Bank nahe legen. Im folgenden Erfahrungsbericht erfahren Sie mehr zu Einsatzfeldern der Mediation und wie die Methode auf die Beteiligten wirkt.

 

Der Ablauf der Mediation ist ein klar strukturiertes Verfahren, das sich nach der Anbahnung in fünf Phasen aufgliedert. Dabei werden zunächst das Verfahren und dessen Spielregeln erklärt. In der nächsten Phase erhalten die Parteien Gelegenheit, ihre Standpunkte darzustellen und es wird eine Themensammlung der Konfliktfelder erstellt. In der dritten Phase werden die Konfliktfelder bearbeitet, indem man die Interessen und Bedürfnisse der Parteien herausarbeitet. Auf dieser Grundlage werden dann Lösungen durch die Parteien gefunden, über die in der letzten Phase verhandelt und eine schriftliche Mediationsvereinbarung erarbeitet wird. Oft werden zudem Anwälte oder sonstige Experten hinzugezogen. Dieser Ablauf ist der handwerkliche Fahrplan, der vom professionellen Mediator zielorientiert umgesetzt werden muss.

 

Grenzen erkennen 

Die Mediation sollte jedoch nicht als Allheilmittel zur Lösung allgegenwärtiger Konflikte in Wirtschaft und Alltag verstanden werden. Sie hat trotz der unbestreitbaren Vorteile ihre Grenzen. Daher sollte stets vorher geprüft werden, ob sich der Konflikt auch tatsächlich dazu eignet, mit Hilfe einer Mediation gelöst zu werden. Fehlende Entscheidungsspielräume und fehlende Autonomie der Konfliktparteien verträgt die Methode der eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Lösung von Konflikten nicht. Die Bereitschaft der Parteien, sich freiwillig auf die Mediation einzulassen und ihr eine faire Chance zu geben, ist dabei ebenso unerlässlich wie die Bereitschaft, sich an die für das Verfahren vereinbarten Spielregeln zu halten. Ein erfahrener Mediator erkennt diese Grenzen.

 

Wo wird Mediation in der Wirtschaft eingesetzt?        

-         Konflikte in Gesellschafterbeziehungen

-         Konflikte in Familienunternehmen

-         Fragen der Unternehmensnachfolge

-         Konflikte zwischen Mitarbeitern, in und zwischen Teams und
          Abteilungen

-         Konflikte mit Kunden und Lieferanten

-         Fragen der Haftung und Gewährleistung (etwa bei Baumängel-
          haftung oder Herstellerhaftung)

-         Auseinandersetzungen über Urheberrechte und Patente

-         Konflikte bei Betriebsübernahmen/Fusionen und den damit
          verbunden Umstrukturierungsprozessen

-         Tarifkonflikte und Arbeitsverhältnisse

-         Konflikte zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit 
          (Umweltkonflikte,Bauvorhaben)

 

Keine Konkurrenz zu Rechtsanwälten 

Der Konflikt ist bei einem Gerichtsverfahren auf den Prozessgegenstand beschränkt. Die vom Gericht getroffene Entscheidung ist exakt auf diesen Sachverhalt begrenzt. Meistens resultieren die unterschiedlichen Standpunkte aber aus einem ganzen Bündel von Themen und Konfliktpunkten, die nur schwierig und unvollständig in das Gerichtsverfahren mit einbezogen werden können. Im Mediationsverfahren ist gerade diese Berücksichtigung der verschiedenen Interessen möglich. Dies führt zu einer „Vergrößerung des Kuchens“ und bietet damit zusätzliche Lösungsmöglichkeiten.

 

Der benötigte Zeitaufwand für Gerichtsverfahren und die damit verbundenen Gerichts- und Anwaltskosten sprechen in geeigneten Fällen für eine Mediation. Aber eins ist dabei klar: Die Mediation richtet sich nicht gegen die Interessen der Anwaltschaft. Es handelt sich um keine Rechtsbesorgung, da bei offenen Rechtsfragen immer außenstehende Anwälte hinzugezogen werden. Die Parteien sind in der Praxis auch häufig anwaltlich beraten. Die Anwälte werden oftmals direkt in das Verfahren einbezogen und nehmen an den Mediationssitzungen teil. Sie überprüfen die erarbeiteten Mediationsvereinbarungen nochmals in rechtlicher Hinsicht. Wie das zunehmende Interesse von Rechtsanwälten an der Mediation belegt, sehen viele Vertreter des Anwaltsstandes darin eine Ausweitung der Palette der Möglichkeiten, für ihren Mandanten interessengerechte Lösungen zu finden. Die Zielsetzung des Mandanten ist in erster Linie nicht der Streit, sondern die wirtschaftlich sinnvolle Lösung des Konflikts. Anwälte können jedoch nicht selbst die Rolle eines Mediators in Angelegenheiten ihrer eigenen Mandanten wahrnehmen, da sie parteiisch sind. Dies schafft die Basis für die Zusammenarbeit mit einem Mediator.

 

Mediation in der Praxis 

Weshalb Mediation für Banken einen klaren Wettbewerbsvorteil bedeuten kann, haben wurde in der BI 7/2004, Seite 8 ff., dargestellt. Wie erleben nun die betroffenen Menschen die Mediation? Welche Erwartungen verbinden sie damit? Welche Chancen sehen die verantwortlichen Kompetenzträger der Bank durch den Einsatz von Mediation?



Beide Parteien sind in der Baubranche tätig. Als GbR sind sie Eigentümer einer großen Wohnanlage und im Grundbuch eingetragen. Die gleich großen Anteile an der Investition sind bei unterschiedlichen Banken finanziert und durch gleichrangige Grundpfandrechte auf der Wohnanlage besichert. Ferner sind die Parteien durch eine Reihe von anderen Aktivitäten in verschiedenen Projekten und unterschiedlichen Gesellschaften miteinander geschäftlich verbunden.

 

Gesellschafter A hat die ursprünglich als Annuitätendarlehen aufgebaute Finanzierung verändert und für seinen Anteil bei seiner Hausbank einen zinsgünstigen tilgungsfreien Fremdwährungskredit aufgenommen. Die Hausbank benötigt für den Neukredit eine Zweckerklärung, die von beiden Parteien unterzeichnet werden muss. Gesellschafter K sieht die veränderte Finanzierung des A kritisch, weil keine Tilgungen mehr geleistet werden. Er macht die Unterzeichnung der Zweckerklärung von einer Reihe von Bedingungen abhängig. Diese betreffen auch geschäftliche Aktivitäten der beiden Partner aus anderen gemeinsamen Projekten. A ist davon überzeugt, dass K aufgrund seiner Gesellschafterstellung eine Mitwirkungspflicht bei der Unterzeichnung der Zweckerklärung hat. Aufgrund der Spannungen führen beide Parteien bereits wegen einen anderen Sache einen Prozess vor dem Landgericht. Beide Seiten werden anwaltlich vertreten.

 

Die Bank ist zur klaren rechtlich Absicherung darauf angewiesen, dass sie für den bereits ausgereichten Kredit eine neue Zweckerklärung erhält und kann daher nicht darauf verzichten. Ihr droht in der bevorstehenden Auseinandersetzung die Einbeziehung in den Prozess durch Streitverkündung. Der Gegenstandswert für die Klage beträgt 500.000 Euro. Von A wird ein Gerichtskostenvorschuss in Höhe von knapp 9.000 Euro angefordert. Die Anwaltsgebühren für einen Anwalt bei diesem Streitwert betragen einschließlich Mehrwertsteuer rund 7.000 Euro. Die Auseinandersetzungen zwischen den Gesellschaftern haben bis zu diesem Zeitpunkt bereits über zwölf Monate angedauert und wirken sich belastend auf die gemeinsame Verwaltung der Liegenschaft und die sonstigen Geschäfte aus.

 

Auch im Hinblick auf die drohenden hohen Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung konnte A davon überzeugt werden, eine Konfliktlösung durch Mediation zu versuchen. Im Vorfeld fanden Telefongespräche sowohl mit den Parteien als auch mit deren Anwälten statt, um für die Methode und ihre Durchführung zu werben.

 

In der ersten Sitzung zeigte sich, dass es bereits eine Reihe von Reibungspunkten zwischen den Parteien gab, das Hauptkonfliktfeld aber im Bereich der Zusammenarbeit bei der Verwaltung der gemeinsamen Immobilie lag. Bei der Interessenklärung zeigte sich sehr schnell, dass es sich bei der ausstehenden Zweckerklärung lediglich um den Punkt handelte, an dem der schwelende Konflikt sichtbar geworden war. Es ging eigentlich um eine ganze Reihe praktischer Fragen bei der aktuellen Verwaltung und der zukünftigen Strategie für die Immobilie.

 

Im Zeitraum von zwei Monaten konnte in insgesamt fünf Sitzungen die Konfliktlösung durch die Parteien erarbeitet und verabschiedet werden. Die Verwaltung der gemeinsamen Immobilie konnte wieder störungsfrei erfolgen. Dabei wurde auch der bereits rechtshängige Streit vor dem Landgericht beigelegt. Weitere klarstellende Erklärungen im Hinblick auf andere Sachverhalte haben den Parteien Ängste und Befürchtungen genommen, mit weiteren Streitigkeiten überzogen zu werden. Insgesamt konnten sich die Parteien wieder auf ihre Haupterwerbstätigkeiten konzentrieren und dort erfolgreich weiterarbeiten. Die umstrittene Zweckerklärung von K wurde unterzeichnet.

 

Nutzen für alle Beteiligten 

Der wirtschaftliche Nutzen der Mediation für die Gesellschafter K und A ist in diesem Fallbeispiel evident. Die Kosten für die Mediation lagen deutlich unter den zu erwartenden Gerichtskosten. Aber viel wichtiger: Die persönliche Beziehung der Parteien hat dank der Mediation keinen Schaden genommen. Die Parteien können sowohl in der Grundstücksgesellschaft als auch auf den anderen Geschäftsfeldern weiterhin erfolgreich und vertrauensvoll zusammenarbeiten, ohne eine „Revanche“ des anderen befürchten zu müssen. Das als Ergebnis der Mediation entstehende Win-Win-Modell ermöglicht gerade durch die Gesichtswahrung der Parteien die zukünftige Zusammenarbeit. Die Konfliktlösung erfolgte diskret.

 

Und der Nutzen für das Kreditinstitut? Die Bank konnte den Kredit wieder als Realkredit ausweisen, weil sie eine einwandfreie Zweckerklärung hatte. Dem Kunden wurden die Zinsvorteile des Fremdwährungskredits verschafft und die Bank gab die Hilfestellung, um einen Geld, Zeit und Energie raubenden Prozess mit seinem Partner zu verhindern. Zudem konnte sich das Institut durch das Aufzeigen der Konfliktlösung durch Mediation als ganzheitlich beratender  Partner mit hoher Problemlösungskompetenz gegenüber den Firmenkunden positionieren.

 

Zeit ist reif 

Mediation bringt konkrete (wirtschaftliche) Vorteile für die Konfliktparteien und für die Bank, die einen Nutzen durch die mögliche Vertiefung der Kundenbeziehung hat. Unsicherheiten werden beseitigt, die im Einzelfall die Bonität des Bankkunden belasten können und somit auch die Risikolage der Bank beeinflussen.

 

Parteien sollten ihre Konflikte nicht mehr delegieren, sondern sich ihrer Selbsthilfekraft und ihrer Selbstverantwortung bewusst werden. Dadurch schaffen sie selbst die Voraussetzung, eigene und interessengerechte Lösungen zu finden. Der Mediatior bietet dazu die erforderliche Hilfestellung. Die Mediation ist schließlich auch Ausdruck einer modernen Bürgergesellschaft. Die Zeit scheint reif für diese Idee der Konfliktlösung. Gerade genossenschaftliche Banken – als ganzheitliche Dienstleister im Sinne des Förderauftrags – sollten diesen Trend erkennen und nutzen.

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